Maiausflug an den Rursee

Die Excel-Tabelle war bereits angelegt, die Vor- und Nachteile von einer guten Handvoll Bootstypen sauber aufgelistet. Das Revier für die erste Segelsaison war ausgewählt: Der Rursee, nur knapp 60 Minuten von Köln entfernt, also eine realistische Anreise, um auch mal nur für ein Wochenende auf dem Boot zu sein.

Damit war auch die Bootsauswahl hinreichend eingeschränkt, denn hier dürfen Boote maximal die Messzahl 22 erreichen (Länge x Breite= Messzahl). Also in aller Regel unter 8 Meter Länge. Genügend Bilder also im Kopf, die einen fabelhaften Segelsommer in voller Kinolänge hätten illustrieren können. Nur eines fehlte: Die Zustimmung der Frau, damals noch Freundin. Und das Boot.

Bei bestem Sommerwetter, der Kalender zeigte den 1. Mai, also auf zum Rursee, ohne was von Segeln oder gar Bootskauf zu erzählen. Einfach nur mal einen Ausflug machen. Ganz unverdächtig Spazierengehen.

Es hätte kaum besser laufen können: Nach wenigen Minuten erreichten wir die Steganlage des Schwammenaueler Segel-Clubs, der in einer Bucht am äußerten Ende des Rursees seine Steganlage betreibt. Von Oben kommend blickten wir die Treppenstufen hinab in eine Bucht, die ein derart schönes sommerliches Bild lieferte. Dazu die Boote, Menschen, die herum liefen; einige Boot segelten bereits, kurzum: Ein Bild, das alle Schönheit und Entspannung transportierte, die man sich mal für ein Wochenende denken kann, wenn man von einer Zukunft als Freizeitskipper träumt.

 

Ich konnte mich also vorsichtig anpirschen – und mal ganz unverbindlich von den Segnungen eines eigenen Bootes referieren, vom Erholungswert, vom vielfältigen Nutzen der Zerstreuung, der daraus resultierenden Erbauung, und dem dann zu erwartenden Nutzen im Alltag. Im Kern, so konnte ich erklären, sei ein Boot eine ganz rationale Angelegenheit, mit dem sich die Leistungsfähigkeit auch im Alltag ins phantastische steigern lassen könnte. Nach einigen Minuten, ich dachte, man könne zwischendurch mal vorfühlen, wie das Referat bei meiner Frau ein hilfreiches Meinungsbild zeichnete, oder ob noch weitere rhetorische Raffinesse anzuwenden sei, nun also die vorsichtige Frage, ob es wohl, möglicherweise, also unter bestimmten Umständen, nun ja, ob es vorstellbar wäre, sich gemeinsam einem so nützlichen Hobby hinzugeben. Die Antwort, die ich hörte, war ein so schreiendes JA. Los. Starten. Jetzt. Vollgas. Wir brauchen ein Segelboot. Ich hatte einen Auftrag erhalten: Kauf´uns ein Boot. Alle Ampeln stehen auf Grün!

Monate später erklärte mir meine Frau, dass sie das Szenario ein klein wenig anders abgespeichert habe. Sie erzählt bis Heute, dass Sie an jenem 1. Mai angedeutet hatte, dass sie sich ein Boot – in ein paar Jahren – möglicherweise, unter Umständen, wohl vorstellen könne. Von einer Ampel mit Grünen Lichtern weiß meine Frau nichts. Sie kann sich maximal an Gelbes Flimmern erinnern. Hingegen erinnert sie sich daran, dass vor einem Kauf noch allerhand Details zu klären seien, Fragen zu beantworten, Dinge zu regeln sein würden.

Dazu kam es nicht mehr.

Noch am Freitag der gleichen Woche eilte ich nach Ahlen Dolberg, wo ich bei der Bicker-Werft mich mit dem nötigen Fachwissen versorgen lies. Anhand von 3, vielleicht 4 gebrauchter Biga 24 -Segelbooten lernte ich, was wichtige Kriterien beim Kauf sind, worauf zu achten sei, was durch falsche „Pflege&Wartung“ versaut werden kann (lackiertes Teak-Deck, nachträglich eingebaute 1.001 Gerätschaften, nachträgliche Verlängerung der Rumpfes, etc. pp – eine lange Liste horrorartiger Fehler). Ausgestattet mit diesem reichen Fachwissen, welches bei mir auf den fruchtbaren Boden eines gelernten Schreiners fiel, konnte ich schon am nächsten Tag in Speyer vorstellig werden, um eine BIGA 24 aus dem Jahre 1979 zu begutachten. Da das Boot alle jene Sonderbarkeiten NICHT aufwies, die ich bei Bicker´s kleiner Gebrauchtauswahl bestaunen durfte, dafür aber attraktiv im Preis wirkte, mit einem völlig unverbauten Zustand prahlte, erkennbar stets mit viel Liebe gepflegt worden war, war die Entscheidung nach weniger als einer Stunde Besichtigung klar: Kaufen. Zu der Entscheidung trug erheblich mit bei, dass das verkaufende Ehepaar derart freundlich, nett und sympathisch vom und über das Boot, die fantastischen Jahre mit ihm, von Reisen nach Kroatien, von Ausflügen und vielem mehr erzählen konnten. So gab es keinen Grund Zweifel überhaupt erst aufkommen zu lassen.

Eine Woche später übernahm ich Original-Rechnungen von 1979, Prospektmaterial, Bootspapiere, Trailer-Papiere, das Boot selbst samt Trailer und verholte noch vor Ende Mai zum Rursee.

 

Bildrechte:

Titelbild:  Norbert Hupperich

 

 

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