Planlos Richtung Süden, oder: Der Wumpe-Plan

Mit der Planung beginnt jede Reise. Und sie endet: Komplett anders. Dennoch wird geplant, vorbereitet, recherchiert, sinniert und überlegt, wie was, wann, wo möglich, denkbar, erreichbar, erstrebenswert erscheint.

Nachdem Claudia nun Gestern vor Bord gehen musste, weil der Finger, den sie sich eine Woche zuvor gebrochen hatte, in der Heimat behandeln werden soll, war der Plan komplett geplatzt. Er besagte: Eine knappe Woche bis DK segeln, Claudia an Bord im Norden von Fynen, gute 2 Wochen via Anholt, Göteborg, Schärengarten zurück, Kurs Kopenhagen, Rückflug Claudia, ich: zurück zur Kieler Förde, dafür dann eine gute Woche Zeit. Insgesamt etwa 30 Tage. Realistisch.

Dienstag,09. Juli, Samsö, Ballen,

Gut gedacht, schön, schlüssig.

Als wir am Montag mit der Bahn von Horsens Richtung Greena fuhren, wo die Fofftein lag, schien es, als bräche alles in sich zusammen. Ein Jahr Vorfreude, endlich mal eine etwas längere Zeit an Bord. Arbeiten & Segeln verbinden. Und herumkommen. Der ganze Törn dreht sich um den Mittelfinger – nicht um die Planung. Die Diagnose der Ärzte hatte ergeben, da muss operiert werden, nicht gesegelt.

Bei bestem Wetter, 12 bis 17 kn segelt ich am Dienstag dann Richtung Samsö, derweil Claudia mit 5 mal Umsteigen nach 12,5 Stunden Köln via Bahn erreichte. (Ab Hamburg klappte es mit der Unpünktlichkeit wieder zuverlässig.) Ohne Claudia machte der alte Plan – in meinen Augen – keinen Sinn mehr. Klar: Ich hätte alleine die Strecke fahren können. Aber: Es kam mir egoistisch vor. Rücksichtslos. Einfach Durchziehen. Nein. Das wollte ich auf keinen Fall.
Erst der Gedanke, ein neues Ziel in Angriff zu nehmen, ließ mich aufblicken, hoffen, nun ja, und: planen.

Plan B.

Ich hatte den Reiseführer von Stephan Boden, Dänische Südseeperlerlen, gerade durchgelesen (für Menschen, die in der Region rumschippern, unbedingt empfehlenswert) und kam so auf den Trichter: Das kontrollierst Du mal, war der Kollege da erzählt. Alle die fabelhaften Beschreibungen. Einige der Orte kenne ich, es war also kein Neustart. Also los! Neuer Plan – neues Glück: Ich will bis zum 25. Juli So viele Orte absegeln, wie geht. Also schnell hin da.

Angekommen in Samsö, nach einem Bilderbuchtag, ganz ohne Manöver, immer Gradeausfahren, herrlich, galt es den Folgetag zu planen. Und langsam dämmerte es mir: Ich laufe Kurs auf die nächste Falle. Nicht nur Stephan Boden warnt in seinem Buch davor, auch Jens Brambusch, der jüngst ein großartiges Buch über diverse Menschen geschrieben hat, die ihr Leben aufs Wasser verlegt haben (Buchtipp: Träum weiter) , hat es zum Motto erhoben: Der Plan ist, keinen Plan zu haben.

Genau das werde ich probieren. Morgen geht es los. Der Wind sagt, was passiert, wohin die Fofftein segelt. Zumindest im Groben. Eines ist jedoch sicher: Wann ich in der Südsee ankomme, ist Wumpe. Das ist der neue Plan. Ich nenne ihn: Wumpe-Plan.

Lob der Bahn in DK


Wer in DK nur von Hafen zu Hafen eilt, eine romantische Insel um die andere anläuft, verpasst das Beste in Dänemark: Die Bahn.
Weil Claudia sich vor einer Woche an Bord einen Finger gebrochen hatte, sind wir genötigt von Grenaa, wo das Schiff parat liegt, um als bald Anholt anzulaufen, nach Horsens zu reisen, wo sie Erstversorgung erfuhr und nun Nachsorge bekommen wird. Am Wochenende gibt es keine Leihwagen in Grenaa, so durften wir die beeindruckende Qualität der Bahn in DK bestaunen. Heute hin, Morgen zurück.

Jörg Bohner, Designer Zürich, hat diese schlicht, schöne Leuchte, die Teil einer ganzen Familie ist, entworfen.


Das beginnt sogleich mit den Beluchtungen, die der Schweizer Designer Jörg Bohner vor ein paar Jahr entworfen hat – ich war selbst Zeuge in seinem Studio in Zürich. Was auch immer hier zu sehen ist, ist hochwertig, Sitze im Regionalzug mit grobem, aber äußerst angenehmen Textil bezogen, die Bahn von Aarhus nach Horsens kann sogar mit farbig angesetzter Naht aufwarten, die aus sportlichen Audis oder BMW´s bekannt ist. Bahnsteige überzeugen mit moderne Sitzbänken, Wartehäuschen warten auf Designpreise.
Da ist es nur folgerichtig, dass auch die Jugendherberge mit passsende Beleuchtung ausgestattet ist, die von vor Jahrzehnen der Feder von Louis Poulsen entstammten – und immer noch begehrt sind. Bei uns zu Lande eher in Villen uns stilsicher eigerichteten Haushalten.
Selbstredend fahren die Züge hier pünktlich, wie in der Schweiz oder Japan.
Ja, all das verpasst, wer zu gierig auf nahmhafte Ziele die Kurse absteckt. Um langfristig aber mithalten zu können, wollen wir in der kommenden Woche doch noch einen  Haken hinter Anholt machen.

Rund Mittelfinger.

Während andere Abenteurer rund Fynen, rund Langeland, oder rund Aerösköbing Kurs setzen, oder gleich rund um die Welt, fahren wird nun rund Mittelfeinger, denn der gibt an, wann wir wo sein sollen.


26.06. bis 06.07.
Lyö, Bagö, Middelfart, Juelsminde, Tunö

Rechnet man den Anreisetag mit, liegen nun 12 Tage im Kielwasser meines Arbeitslebens, das sich auf dem Schiff abspielt. Um die 30 Tage sind geplant, etwa. Wo es hin geht, wird immer unklarer. Denn die schöne Theorie erleidet im Praxistest im Grunde schon nach dem ersten Ablegen in Mönkeberg Schiffbruch – wenngleich das Wort zu hart klingt. Immerhin ist nichts dramatisches passiert, was Claudia, meine Frau, mit ihrem nun gebrochen Finger eher anders beschreiben dürfte.

Claudia kam am letzten Sonntag an Bord, in Middelfart. In den Tagen zuvor bin ich über Lyö und Bagö gekommen. Einhand. Inzwischen klappen die Manöver solide – ist ja auch schon die 2. Saison, die ich zum Teil Einhand mit der SIRIUS fahre – wenngleich ich schon beim Ablegen voller Aufregung an das spätere Anlegen denke. Und zwischendurch: Ständig auf irgendwas achten, wach sein, nur keine Fehler machen. Ich habe keine Ahnung, wie es anderen Seglern ergeht, bei mir fährt im Grunde permanent die Aufregung mit. Vielleicht tut mir das Segeln deswegen so gut. Und vielleicht gefällt es mir so. Denn stumpfes Nichtstun, bedeutet für mich im Grunde mindestens Zeitung lesen, oder ein Buch. Aber richtiges Garnichtstun, das ist mir fremd. Das passt prima zum Segeln: aufmerksam, leicht meditierende unaufgeregte Fokussierung, dennoch ist das Träumen erlaubt.


26.06. – 30.06.

Der erste Schlag von Mönkeberg begann am Mittwoch, den 26.06., etwa 8:00 Uhr, zunächst mit Hilfe des Diesels schnell aus der Förde, und dann Kurs Nord mit Wind aus West der beharrlich die Fofftein in gut 8 Stunden nach Lyö schob. Der zeitige Start war der Vorhersage (Windy) geschuldet, die eine auffrischen am Nachmittag bis 23, 25 kn in Aussicht stellte, was dann auch eintrat. Also die letzten 1,5 Stunden gerefft Richtung Lyö. Der Folgetag ein Hafentag, an dem der Wind beständig mit seinen 25 – 27 kn drückte.

Die Liegeplatznachbarn, ein Pärchen aus Stade, das mit einem rattenscharfen Jollenkreuzer neuster Bauart reisten, hatten den Plan gemeinsam Faarborg zu erkunden. Wie schon am Abend zuvor hatten wir duirchgehend „Text“, ratschten, sabbelten, erzählten, hörten, staunten – alles komplett unaufgeregt, dennoch vertraut und nah. Wann hat man das schon, das man auf fremde Menschen trifft, bei denen komplett klar ist, dass die Funkverbindung 1 A steht. Eine Begegnung, die mich nachhaltig erfreut.

Nach Lyö folgte Bagö, was eine wahrlich ruhiger Ort ist, friedlich und still. Dennoch am 29. Weiter Richtung Middelfahrt.

Arbeit. Hafentag Middelfart.

In den zurückliegenden Tagen ist die Arbeit oft beschränkt gewesen auf Telefonieren und am Abend allerhand E-Mails schreiben. Eingehen Aufträge stapeln sich und werden am Sonntag zur echte Bedrohung. Als0 abarbeiten, bis Claudia am Nachmittag per Bahn anreist.

03.07. – Gebrochener Finger

Der kurzfristige Reiseplan sollte und nach Tunö führen – endete jedoch in Juelsminde. Claudia brach sich in einer unglücklichen Halse den Mittelfinger der linken Hand, ohne so recht zu wissen, wie genau, das geschehen war, so dass wir den Weg ins Krankenhaus, samt Fachpersonal angebrachter einstuften, als die romantische Ruhe der Insel Tunö – die wir dann zwei Tage später erreichten. Die Medizinische Untersuchung mündete in der Aufgabe, am folgenden Montag erneut vorstellig zu werden.

Nun liegen wir das Wochenende in Grena, planen am Montag einen Wagen zu leihen, um die Untersuchung in Horsens zu absolvieren. Schließlich gilt es von ärztlicher Seite zu entscheiden, ob eine OP nötig ist, oder die erste Woche, in der Finger geschient, geschont wurde, bereits genügt hat, um Heilung sicher zu stellen.